Nachweise von Polioviren in Abwasser:
Landesgesundheitsamt empfiehlt Überprüfung des Impfstatus gegen Kinderlähmung (Poliomyelitis)
In mehreren deutschen Städten konnte das Robert Koch-Institut (RKI) im Rahmen eines Abwassermonitorings Schluckimpfstoff-abgeleitete Polioviren nachweisen. Für das Abwassermonitoring hat das RKI acht Beprobungsstandorte in sechs Bundesländern ausgewählt. Niedersachsen ist bislang nicht darunter. Auch wenn deshalb aktuell keine direkten Nachweise aus Niedersachsen vorliegen, muss aufgrund der Anzahl und bundesweiten Verteilung der Nachweise vermutet werden, dass sich auch in Niedersachsen Schluckimpfstoff-abgeleitete Polioviren im Abwasser befinden könnten. Diese Polioviren können wie die ursprünglichen Poliowildviren bei ungeschützten Personen zum Teil schwere Erkrankungen mit bleibenden Schäden auslösen. Es kann somit nicht ausgeschlossen werden, dass einzelne Polio-Infektionen auftreten.
Eine akute gesundheitliche Gefährdung der Bevölkerung ist derzeit aber nicht zu befürchten und das Niedersächsische Landesgesundheitsamt (NLGA) geht nicht davon aus, dass es zu Polioausbrüchen kommen wird. „Zwei Faktoren sind dafür ausschlaggebend: hohe Hygienestandards und eine umfassende Durchimpfung der Bevölkerung“, erläutert NLGA-Präsident Dr. Fabian Feil.
Daten der KV-Impfsurveillance des RKI zeigen in Niedersachsen für die Geburtsjahrgänge kurz vor Beginn der COVID-19-Pandemie allerdings einen deutlichen Rückgang bei den Impfquoten. So lag die Polio-Impfquote für den Geburtsjahrgang 2019 in Niedersachsen noch bei 94,2 %, fiel bei den Geburtsjahrgängen 2020 (88,2 %) und 2021 (86,6 %) aber deutlich ab. Ursache sind vermutlich ausgebliebene Impfungen aufgrund der COVID-19-Pandemie oder auch eine nicht zeitgerechte Impfstoffgabe.
Nach Einschätzung von Dr. Feil muss auch in Zukunft mit Nachweisen von Polioviren in Abwasser gerechnet werden: „Eine Gefahr für die Bevölkerung ergibt sich bei einer mangelnden Durchimpfung. Deshalb sehen wir den aktuellen Rückgang bei den Polio-Impfungen mit Sorge. Ich appelliere daher ausdrücklich an alle Eltern, ihre Kinder gegen Polio impfen zu lassen sowie Impfstatus zu überprüfen und ausgebliebene Impfungen nachzuholen. Dies gilt auch für alle Erwachsenen.“
Für die Polio-Impfung wird in Deutschland ein inaktivierter Polio-Impfstoff (IPV) von der Ständigen Impfkommission (STIKO) zur Grundimmunisierung empfohlen. Der Impfstoff ist sehr gut verträglich und sehr wirksam. Vollständig immunisiert sind Personen, die im Säuglings- und Kleinkindalter mindestens drei Impfungen (Grundimmunisierung) und mit 9 -16 Jahren eine Auffrischimpfung erhalten haben bzw. Erwachsene, die zu einem späteren Zeitpunkt grundimmunisiert wurden und zehn Jahre danach eine Auffrischimpfung erhalten haben.
Polioviren werden mit dem Stuhl ausgeschieden und vorwiegend durch Schmierinfektion (Stuhl-Hand-Mund) übertragen. Bei jeder/m 100. bis 1.000. Infizierten kommt es zu bleibenden, schlaffen Lähmungen der Arm- oder Beinmuskulatur, schlimmstenfalls auch der Sprech-, Schluck- oder Atemmuskulatur. Bei 1 - 4 % der Infizierten kommt es zu Hirnhautentzündungen. Der überwiegende Anteil aller Infektionen erkrankt nur milde bzw. bleibt symptomlos, kann aber das Virus ebenfalls auf andere Personen übertragen. Die Erkrankung selbst kann nicht behandelt werden, man kann nur die Symptome lindern.
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erstellt am:
06.12.2024
zuletzt aktualisiert am:
13.02.2025